Konflikte beherzt angehen (Kapitel 1 von 4)

25. Mai 2023

Hast du Lust etwas darüber zu erfahren, wie du mithilfe bestimmter Aufmerksamkeitspunkte und bewusster Entscheidungen nervigem Streit eine befreiende Wendung geben kannst? Ich werde heute und in den kommenden drei Artikeln Erkenntnisse mit dir teilen, die sich aus meinen Erfahrungen von über 20 Jahren Mediation und Gewaltfreier Kommunikation ergeben haben.

Ich möchte dies anhand des Modells der „Idealen Pyramide für gelingende Kommunikation in Konflikten“ tun, welches ich gerne in meinen Seminaren verwende. Natürlich hat jedes Modell auch seine Grenzen: Es ist, als ob man versucht, den Ozean des Lebens in Schraubgläser abzufüllen und penibel zu etikettieren, um sie dann wichtigtuerisch in einem wackeligen Ikea-Regal namens „Levande“ zu präsentieren. (Überraschung: Levande = schwedisch für „Leben“)

„Offen und frei liegt das Meer!“ proklamierte einst Gerhard Gundermann in seinem Song „Krieg“ unter dem Eindruck der Wendezeit. Aber mit zunehmender Anzahl an Jahren und allerhand Irrfahrten auf hoher See finde ich immer wieder verführerischen Trost in bunten, irgendwie wissenschaftlich anmutenden grafischen Darstellungen! Und je mehr Phasen, Stufen, Ebenen, Verbindungslinien und nummerierte Abfolgen diese enthalten, umso besser: „Levande“ zum Selbstaufbauen – verständlich, Schritt für Schritt und nach System bitteschön!

 

Warum „Ideale Pryramide“?

Ideal nenne ich das Modell deswegen, weil es für die allermeisten Menschen (einschließlich mir) wohl eine Überforderung darstellt, jederzeit alle darin aufgeführten Qualitäten auf den Schirm zu haben bzw. umzusetzen – erst recht nicht in emotional aufwühlenden Konfliktsituationen! Dennoch lohnt es sich gewiss, immer mal wieder einen Blick auf das Ganze zu werfen und die verschiedenen Aspekte der Pyramide durchzugehen – gerne auch unter dem Eindruck von Klärungsversuchen, die so ziemlich gegen den Baum gegangen sind.

Für die Figur der Pyramide habe ich mich entschieden, um den Stellenwert der darin enthaltenen drei Ebenen zu kennzeichnen: Allem tapferen Ringen um Frieden an Konferenz- und Abendbrottischen sollte etwas zugrunde liegen, das mir in meiner Coaching-Ausbildung unter dem Begriff Essenz begegnete: Mindset, innere Klarheit und Menschenbild, meine tiefere Absicht sowie die Fähigkeit im Hier und Jetzt präsent zu sein.
Herrscht auf dieser basalen Ebene ein gewisser Grad an Bewusstheit, steigen die Chancen auf Erfolg in Ebene 2. Hier geht es darum, in Kommunikation zu gehen und ein Tänzchen mit dem Gegenüber zu wagen.
Die dabei im besten Falle entstehende Qualität von Verbindung und gegenseitigem Verstehen sorgt für Entspannung und fördert Kreativität und Verhandlungsbereitschaft, so dass auf Ebene 3 frische Ideen und tragfähige Lösungen entstehen können.

Das war die Pyramide im Kurzdurchlauf – ich werde mir pro Newsletter-Ausgabe jeweils eine Ebene vornehmen und sie mit Begriffen, Erläuterungen und persönlichen Gedanken füllen.

Mag sein, dass das dir bis hierhin alles einleuchtend und wenig spektakulär erscheint – aber in meiner Wahrnehmung steht diese Pyramide im Alltag leider allzu oft auf der Spitze – und die dadurch entstehenden Situationen fühlen sich entsprechend instabil und anstrengend an! Gerade im pädagogischen Feld begegnen mir immer wieder die Vorstellung, „Problemlöser:in vom Dienst“ zu sein und immerfort mit Ratschlägen schnellen Lösungen dienen zu müssen. Konfliktsituationen werden mal eben auf Distanz “geklärt” – unter Einsatz von Stimmgewalt und Trick 17.

Wenn dann noch Personalmangel und systemisch bedingter Stress hinzukommen,werden Ansätze, die Zuwendung und Zeit erfordern, schnell zum einer Art Luxusgut, dass man sich nicht leisten kann. Offen bleibt jedoch die Frage, was Menschen tatsächlich dazu bringt, ihr Verhalten zu ändern und sich für Kooperation zu entscheiden.